Archiv der Kategorie: Politik

Man bekommt (nur) was man wählt.

Wer rechte Rattenfänger wählt sorgt dafür, dass großartige Dinge, die funktionieren und Menschen glücklich macht, kaputt gemacht werden. Menschen, die sowas wählen tun das, weil sie anderen Menschen nicht das geringste Quäntchen Glück und Liebe gönnen. Ich hege ein gewisses Mitleid für Menschen, die so verbittert und hasserfüllt sind, dass Missgunst und Negativität ihr Leben so stark bestimmen, dass sie glauben, anderen Menschen antun zu müssen, was sie glauben, selbst erleben zu müssen, weil sie sich so machtlos fühlen, etwas an ihrer eigenen frustrierenden Situation ändern zu können, dass ihr einziges erreichbares „Erfolgserlebnis“ darin besteht, anderen auch das anzutun, was sie glauben, erleiden zu müssen.

Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit, zu verhindern, dass solche Menschen auch nur das geringste Quantum an Macht bekommen können.Denn das macht nicht sie glücklicher sondern nur andere ebenso unglücklich. Es kann nichts Gutes entstehen aus Lieblosigkeit, Neid und Missgunst. Es werden nur noch mehr Menschen unglücklich. Niemand hat etwas davon, denn die eigene Situation wird davon nicht ein Jota besser. Im Gegenteil, wenn es nur darum geht, es anderen schlechter gehen zu lassen, dann geht es allen schlechter, niemandem besser. (Außer den braunen Rattenfängern, die sich ins Fäustchen lachen und ihre Kassen und die ihrer reichen Buddies füllen, denn Korruption ist eins ihrer Hauptmerkmale, immer gewesen, die trocknen keinen Sumpf aus, die sind der Inbegriff des Sumpfes.)

Ich hoffe, jede/r Wähler/in, die/der so großen Frust und Zynismus in seinem/ihrem Leben empfindet, dass sie/er glaubt, das nur noch  durch die Wahl von menschenfeindlichen Zynikern und Menschenhassern zum Ausdruck bringen zu können, erkennt noch rechtzeitig, dass sie/er damit nur das eigene Leiden – zusätzlich zu unnötigem Leid für andere – füttern würde und umdenkt. Bitte lasst die faschistischen Rattenfänger rechts liegen, sie werden nichts für euch tun, ihr werdet euch nicht besser fühlen, es wird euch nicht besser gehen, es werden nur mehr Menschen leiden als vorher und an euerem Leid wird sich davon nicht im Geringsten etwas ändern. Im Gegenteil, wenn ihr nach Österreich schaut, könnt ihr sehen, dass die Behauptung der Rattenfänger, sich für „den kleinen Mann“ zu interessieren eine glatte Lüge ist, wie sie es auch in Italien ist.

Also, bitte liebe Frustwähler, überlegt euch das gut: wer Lieblosigkeit, Neid und Missgunst wählt, der bekommt Lieblosigkeit, Neid und Missgunst und nichts sonst. Wenn ihr frustriert seid ob der Lieblosigkeit und mangelnder Solidarität in eurem Leben, wählt nicht mehr des selben sondern Liebe und Solidarität. Und wenns nur ein bisschen ist.

Ich weiß, dass es aktuell schwer ist, in der aktuellen Parteienlandschaft da etwas eindeutiges in dieser Richtung zu finden, und ich bin da auch sehr verzweifelt in dieser Frage, aber wenn sich auch das ändern soll, belohnt die, die wenigstens ein bisschen von diesen Idealen vertreten, so dass sie merken, dass DAS etwas ist, was wichtig ist und zeigt denen, die Missgunst und Lieblosigkeit als Programm vertreten, dass DAS nicht die Welt ist, in der wir leben wollen, weil das am Ende eben niemanden glücklich machen kann. Gerade WENN ihr glaubt, bereits in einer solchen Welt zu leben.

Perspektivlosigkeiten

Im November letzten Jahres habe ich meinen letzten Blogartikel „Perspektiven“ geschrieben. Der machte ziemlich die Runde, in einem Maße, das ich so überhaupt nicht erwartet hatte (mein Statistik-Tool behauptet, dass er etwas über 100.000 mal gelesen worden sei, selbst mit Mehrfachaufrufen ist das mein meistgelesener Artikel seit ich blogge) und ich bekam viel und zum deutlich überwiegenden Teil positives Feedback, das mir zeigte, dass ich vielleicht nicht allen im Lande, aber einem nicht wirklich kleinem Teil der Leute da aus der Seele sprechen konnte.

Inzwischen ist einiges an Zeit vergangen, Trump hält die USA in Atem, so dass dortige politische Satire kaum mehr hinterherkommt, jeder neue Skandal, jedes neue „Low“ wird am nächsten Tag schon wieder unterboten, so dass all die Skandale garnicht aufgearbeitet werden können. Was ja vielleicht auch eine Taktik ist – bis überhaupt die Tragweite des einen Skandals auch nur halbwegs erkannt werden kann eine neue Sau rauslassen, und Zack, ist der vorangegangene Skandal schon wieder raus aus den Schlagzeilen. Der Sohn gibt offen einen Gesetzesbruch zu? Einfach mal Nazis gut finden, schon redet kein Mensch mehr drüber. Oder einen Atomkrieg andeuten. Die News der letzten Woche sind gefühlt Jahre her, so sehr sind sie schon ein paar Tage später aus der Erinnerung verdrängt.

Das politische Rechtsaußen-Spektrum hat das als funktionierende Strategie erkannt, bei uns macht das die AfD ja auch schon von Anfang an, inklusive dem Setzen von Narrativen, die ihnen eine Opferrolle zuweist, die wahlweise behauptet, mundtot gemacht zu werden (obwohl es, weils so schöne Quoten macht, keine Talkshow gibt, die sich nicht mindestens einen AfD-Vetreter ins Studio holt, weil die so schöne kontroverse Sachen sagen, das dann in der Folge dafür sorgt, dass am nächsten Tag tolle, klick-trächtige Artikel geschrieben werden können, über die man sich wahlweise aufregen darf oder einfach den braunen Dreck nachplappern als wärs das Normalste der Welt und damit die AfD mehr kostenlose Medienpräsenz hat als alle anderen Parteien – auch das hat ja in den USA für Trump schon genauso funktioniert) oder dass man „Fake News“ über sie verbreite, weil sie ihre Tabubrüche natürlich nie so gemeint haben, wie man sie berichtet (und natürlich freut sich deren Klientel, weil die genau wissen, dass das natürlich doch genau so gemeint war, aber sich diebisch freuen, wie sich ihre Helden und Heldinnen da jedesmal „geschickt“ wieder rauswinden).

Und wenn dann auch noch die BILD munter mithetzt freuen sich die Rechten grade nochmal, dass ihr Pseudothema „relevant“ bleibt, obwohl es das in der Realität überhaupt nicht ist.

Aber gut, DAS alles war ja zu erwarten, wie gesagt, diese Strategien des rechten und braunen Randes sind ja so alt und bekannt wie vorhersehbar (außer, wie es scheint, von den Medien, die sich regelmäßig von denen instrumentalisieren lassen, Lichtenhagen ist über 20 Jahre her und sie haben nichts gelernt).

Mir geht es, wie schon im November, nicht um das Wählerpotential des rechten Randes, denn das ist ja mehr als versorgt, auch nicht um die, deren Interesse die Erhaltung des Status Quo ist, denn auch die sind versorgt, sondern um die Wähler, die weder nach 1932 zurück wollen noch mit dem Status Quo zufrieden sind. Entgegen der letzten Schlagzeilen, die behaupteten, es gäbe „keine Wechselstimmung“, bin ich nach wie vor der Meinung, dass dieser Wähleranteil kein kleiner ist. Perspektivlosigkeiten weiterlesen

Perspektiven

Im Juni Brexit, jetzt Trump, in Europa feiern die rechten Populisten ebenfalls Wahlsieg auf Wahlsieg und überall in den Medien, den „etablierten“ Parteien und auch im eigenen pluralistisch und humanistisch denkenden Freundes- und Bekanntenkreis fragt man sich „Wie kann das passieren?“

Ein bisschen erinnert mich diese Frage an genau die Fragen, die ich dereinst meinen Großeltern und anderen Verwandten im entsprechenden Alter stellte, als ich im jugendlichen Überschwang nicht verstehen konnte, wie es passieren konnte, dass ein hasserfüllter kleiner Popanz und seine hasserfüllte Clique von rassistischen Kackbratzen in Deutschland an die Macht gewählt werden konnte, obwohl diese mit ihrer Geisteshaltung ja wirklich nicht hinterm Berg hielten, und ich andererseits meine Verwandtschaft jener Generation nicht als hasserfüllte dumpfe Rassisten kannte sondern als Menschen, die sich um andere sorgten, Gewalt verabscheuten und sich in der direkten Begegnung stets empathisch und mitfühlend gegenüber jedem Menschen zeigten, egal welcher Hautfarbe oder Herkunft. Perspektiven weiterlesen

Warum ich wenig Geduld mit „besorgten Bürgern“ habe.

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Weil ich mich sehr gut erinnern kann, was mir in der Familie erzählt worden ist. Der eine Teil der Familie kommt aus Ostpreußen, der andere aus dem Egerland. Mit der „Willkommenskultur“ haperte es auch damals schon, obwohl die damaligen Flüchtlinge „sogar“ Deutsche waren.

Mich und viele andere Menschen die ihr kennt gäbe es nicht, wenn meine beiden Familien nicht geflüchtet wären. Und Kriege und Verfolgung sorgen dafür, dass es auch heute und morgen viele Menschen nicht mehr gibt, die es eigentlich geben müsste – welche Bücher hätte eine Anne Frank in den 70gern, 80gern oder gar 90gern geschrieben, hätte sie überlebt? Sie wäre eine Person gewesen, die voll in meine eigene Lebenszeit hineingereicht hätte. Muss man sich mal klar machen! Was hätte eine Sophie Scholl gemacht? In den 80gern als Gast bei Gottschalks Wetten Dass gesessen?

Wieviel großartige Musik wurde in meiner eigenen Lebensspanne nicht geschrieben und gehört, weil deren Komponisten nicht lebend aus einem Krieg oder einer Verfolgungssituation rauskamen? Srebrenica war 1995. Dort getötete 17-jährige wären heute 37 Jahre alt. Sie könnten heute Musiker, Autoren, Wissenschaftler sein und die Welt bereichern. Sie könnten Menschen sein, denen man im Urlaub begegnet, mit denen man lachen würde, oder in die sich vielleicht jemand verliebt. Sie könnten anderer Leute Komilitonen gewesen sein, während eines Auslandsstudiums, z.B. hier in Deutschland. Oder Arbeitskollegen sein.

So viele Menschen, die ich nicht mehr kennen lernen konnte, obwohl wir „gleichzeitig“ gelebt hätten, aber es nicht taten. Weil sie es nicht geschafft haben.

Ich bin glücklich über jeden Menschen, der es schafft. Der sich in Sicherheit bringen kann.

Und wer weiß denn schon, was der jeweilige Mensch in Zukunft noch macht, weil er überlebt hat? Vielleicht ertrinkt da im Mittelmeer grade ein zukünftiger Nobelpreisträger für Medizin, der Krebs geheilt hätte. Oder sein eigentlich zukünftiger Vater. Das Leben ist etwas so kostbares, ein riesiges, unglaubliches und unbegreifliches Wunder.

Hass und Neid zerstören dieses Wunder. Und alle Wunder, die daraus entstehen könnten.

1985 hetzte Strauß gegen „Kanaken“. Heute vor 23 Jahren warfen hässliche, neidische Menschen in Rostock Brandsätze auf Flüchtlinge. Und wie schon damals werden auch die heutigen „besorgten Bürger“ und Brandstifter von unverantwortlichen, zynisch machtkalkulierenden und empathielosen Politikern aufgehetzt und gerechtfertigt.

Nein, ich habe keine Geduld und auch keinerlei „Verständnis“ für euch „besorgte Bürger“. Ich bin nämlich auch und viel mehr in Sorge. Um die Menschen, die ihr bedroht, mit Hass überzieht und deren Zukunft versucht zu zerstören. Die, nebenbei gesagt, unser aller Zukunft, auch meine und eure auch ist.

Und wenns nur die Menschen wären, die meine und eure Rente zahlen werden, denn ohne junge Menschen werden wir im Alter sehr sehr alt aussehen und womöglich selbst zum „Wirtschaftsflüchtling“ werden müssen. Aber das nur für die gesagt, die unbedingt einen „wirtschaftlichen Nutzen“ sehen müssen, um Menschen und Menschenleben einen Wert zuzugestehen.

Für mich reicht es, dass es ein Mensch ist. Wie ich ja auch einer bin. Wenn ich ein Lebensrecht habe, hat es jeder andere Mensch verdammt nochmal genauso! Nein, ich habe kein Verständnis für eure „berechtigten Sorgen“, die ihr dumpf und völlig uninformiert in eurem Wahn und Hass herausbrüllt, wo immer das Wort „Flüchtling“, „Asylbewerber“ oder auch nur „Ausländer“ erwähnt wird.

Denn ich bin nicht ihr.

Ich bin die.

Und die sind ich.

 

Nachtrag: Das hier war für meine Verhältnisse ja recht kurz. Duke hat auch einen Blogartikel zu dieser Thematik geschrieben, den ich euch hiermit ans Herz lege. Sehr viel länger als meiner, aber dennoch – oder gerade deswegen – absolut wert, gelesen zu werden.

Nachtrag 2: Es macht mir ein wenig Gedanken, dass ich über die letzten 24-48 Stunden einen Trend beobachte, der mir so ein bisschen wie Legendenbildung vorkommt. Er erweckt den Eindruck, dass diese xenophoben Exzesse ein „Ossi“-Problem seien, die Worte „Undankbarkeit“ fallen mir ein bisschen zu häufig, und auch das Label „typisch“ außerhalb von Ironie verwendet ist IMO stets ein Warnsignal dafür, dass damit gelabeltes eher was mit Ressentiments und Vorurteilen in der Wahrnehmung derer, die dieses Wort verwenden zu tun hat als mit Fakten.

Mir kommt das ein bisschen so vor, als ob dieser Spin, der sich da grade etwas verstärkt, manchen „Wessis“ grade recht kommt, um sich einerseits selbst nicht „betroffen“ fühlen zu müssen, unter Umständen mag das auch was mit eigener Scham zu tun zu haben, der man auf diese Weise entkommen möchte, schlimmstenfalls aber auch, um selbst auch den Drang, auf eine Menschengruppe bashen zu können (mit dem „guten“ Gefühl, die „richtigen“ zu treffen) und sich damit ihnen gegenüber zu überhöhen, ausleben zu können, so wie es die rassistischen Dumpfbacken dort in Heidenau auch tun.

Ich sehe da wenig Unterschied in den „Instinkten“ hinter denen von Nazis, die Menschen wegen ihrer Herkunft bashen um sich diesen überlegen zu fühlen und Leuten, die jetzt pauschal und ebenso unreflektiert auf die „Scheiß undankbaren Ossis“ schimpfen.

Sorry, Leute, aber ihr helft damit niemandem, im Gegenteil, ihr steckt in der selben emotionalen und menschenfeindlichen Mechanik wie „die“, wenn ihr auf dieser Schiene bleibt. Ich lese sogar hier und da die selben „Argumentations“muster: „Klar, ich weiß, nicht alle Ossis sind so, aber…“ – die „Regel“ und die „Ausnahmen“: was unterscheidet das von den „Ich sage nicht, alle Ausländer seien Verbrecher, aber…“-Leuten? Wenn Kritik nicht an konkrete Handlungen konkret anhand dieser Handlungen zu definierender Leute geht sondern gegen eine unkonkrete … will mal sagen „ethnische“ Menschengruppe, nur weil sie „Leute von dort“ sind (die Zufälligkeit des Geburtsortes wird ja sonst auch zu Recht angeführt, um das „Argument“ der Herkunft als nicht valide zu kennzeichnen), dann läuft hier was gewaltig schief!

Die dunkle Seite der Macht ist trickreich und kennt viele Wege, Herzen und Hirne zu vergiften und zu übernehmen. Wenn man nicht aufpasst, findet man sich schneller selbst an einer Position wieder, an der man gar nicht stehen wollte.

Mag sein, dass es speziell in Sachsen tatsächlich, auch „Dank“ der dortigen politisch Verantwortlichen (übrigens sind da bekanntlich nicht wenige „Westimporte“ dabei gewesen), die rechtsradikale Umtriebe seit Jahren, wenn nicht schon immer, „traditionell“ verharmlosen und diesen Leuten damit weit mehr Narrenfreiheit ließen als jedes andere Bundesland, ob alt oder neu, besonders schlimm ist, aber nur, weil in anderen Gegenden die sogenannten „Bürger“ ihre Ressentiments vielleicht weniger unverblümt zur Schau stellen heißt das nicht, dass es dort besser wäre. Der aktuellste Brandanschlag fand in BaWü statt (und das ist nicht der erste dort). Z.B.. Und die Behauptung, der „Westen“ habe DDR Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen ist auch allgemein nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig.

Drum hoffe ich, dass dieser Trend schnell als Irrtum erkannt und wieder verlassen wird, denn er ist nicht nur nicht hilfreich, wenn es darum gehen soll und muss, Flüchtenden endlich zu helfen, um ihrer und ihres Mensch-seins selbst Willen, und auch nicht, um etwas den menschenverachtenden Instinkten entgegen zu halten, die viele Menschen hier und auf der ganzen Welt dazu bringen, anderen Menschen unendliches Leid anzutun.

Nachtrag 3: Für mehr interessante Blogbeiträge, aber auch Möglichkeiten, sich zu engagieren, empfehle ich einen Blick auf die Initiative „Blogger für Flüchtlinge“ #BloggerfuerFluechtlinge.

 


Warum ich Griechenland für die europäische Idee für eine wichtige Gelegenheit halte

Ich fische das mal aus den Facebook-Kommentaren, weil ich denke, dass vielleicht mehr Leute interessiert, warum ich diese Griechenlandsache so genau beobachte. Das liegt nämlich daran, dass ich ein großer Freund sowohl der europäischen Idee bin als auch der einer gemeinsamen Währung ganz Europas.

Und deshalb in der Griechenlandkrise nicht nur eine Krise sehe sondern eine historische Gelegenheit, ebendieser Idee endlich näher zu kommen und weg von den nationalstaatlichen Egoismen, die aus der EU einen Popanz machen und es auch noch schaffen dabei, davon abzulenken, wer dafür verantwortlich ist, denn sonst würden EU-„kritische“ Parteien nicht so stark sein und damit zeigen, dass die Nationalstaaten es geschafft haben, den Leuten weis zu machen, dass nicht sie sondern die EU, die sie unterminieren, selbst die Täter sind. Dabei ist sie das Opfer. Zumindest die Idee, die in Gardinenpredigten immer wieder angeführt wird, während dabei alles getan wird, dass sie nicht wahr werden kann.

Ich wurde hier gefragt, wie ich glaube dass es mit Griechenland weiterginge. Dies ist meine Antwort darauf: Warum ich Griechenland für die europäische Idee für eine wichtige Gelegenheit halte weiterlesen

Ich habe die Wahl

Leute erzählen mir, sie wüssten nicht, was sie wählen sollen, weil die Unterschiede speziell zwischen den sogenannten „etablierten“ Parteien nur noch kaum wahrnehmbare Nuancen seien. Dann lese ich hier und da, dass Leute ihre Wahlentscheidung tatsächlich an solchen Nuancen festmachen: 99% eines Programmes wird ignoriert, man hängt sich an einem kleinen Punkt auf und bläst ihn bis zu einem „unwählbar“ auf. Manchmal nicht einmal an einen Punkt im Wahlprogramm selbst sondern eine Äußerung irgendeiner Einzelperson, die zufällig einen Mitgliedsausweis irgendeiner Partei hat.

Selten, so scheint es, war es schwieriger, aus einem Wust von Klein- und Kleinstinformationen und minimalen Unterschieden eine Entscheidung zu treffen, wen oder was man unterstützen oder ablehnen möchte.

Wenn angesichts eines Haufens echter Probleme, Herausforderungen und Entscheidungen für eine Gesellschaft, in der wir in Zukunft gern leben würden, Stinkefinger, Halsketten, „Veggie-Days“ und Frisuren von den Medien zu Wahlkampfthemen gehypet werden, während die wirklichen Probleme Intransparenz, Lobbyismus und Korruption, Überwachungsstaat, Sozialabbau und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, Energiewende, Entdemokratisierung mit Hilfe der „Eurokrise“, Kriege und deren humanitäre Herausforderungen, in den Medien als Wahlkampfthemen entweder gar nicht auftauchen oder nur am Rande und manche Themen inzwischen fast nur noch in den Feuilletons behandelt werden, weil offenbar das der letzte Ort ist, an dem sich Intellektuelle noch halbwegs unzensiert äußern können, so dass dort an manchen Tagen das genaue Gegenteil von dem steht, was im Rest eines Blattes als Leitlinie zu finden ist (Bei der FAZ fällt mir das regelmäßig auf. Offenbar denkt man sich in den Verlagen „das liest ja eh keiner“ – oder es liest dort eh keiner), dann konstatiere ich auch ein Medienversagen, das umso schwerer wiegt, weil es ja genug Themen gäbe. Ich habe die Wahl weiterlesen

Überlegungen zum Thema Überwachungsstaat

Dieser Artikel wird wahrscheinlich sehr lang. Seit Monaten, lange bevor Edward Snowden der Welt sagte, wie weit fortgeschritten die globale Überwachung unser aller Kommunikation tatsächlich schon ist, sofern sie nicht Aug in Aug im Funkloch des tiefen Waldes stattfindet, drehe und wende ich Elemente dieses Artikels in meinem Kopf, überlege, wie ich dieses komplexe Thema angehe, das ja eigentlich gar nicht so kompliziert ist, aber eben doch so komplex, dass es immer wieder dazu kommt, dass – manchmal offensichtlich beabsichtigt, manchmal aus Versehen, weil jemand Dinge nicht überblickt oder mit der gebotenen Trennschärfe betrachtet – Dinge in Zusammenhang gesetzt werden, die nichts oder wenig miteinander zu tun haben oder schlicht nicht wirklich verstanden werden. Nicht nur seitens „der Leute“ sondern auch seitens derer, die „den Leuten“ von diesen Dingen erzählen. Politiker, Medien, Firmen, whatever.

Da ich mich teilweise schon seit Jahren darüber ärgere, wenn ich miterleben muss, dass Dinge offenbar bewusst durcheinander geworfen werden, meist tun dies Politiker, um irgendwas zu rechtfertigen, das, quod erat demonstrandum, offenbar mit einer korrekten Darstellung nicht zu rechtfertigen wäre, versuche ich also erst einmal, ein paar Dinge auseinander zu dröseln, bevor ich daran gehe, sie so wieder zusammen zu setzen, wie ich denke, dass es zum Verständnis dessen, was wir alle heute erleben, notwendig ist. Ich beginne also mal mit dem Grundrecht, das in den letzten Jahren vom Bundesverfassungsgericht am häufigsten angeführt wurde, wenn es mal wieder allzu dreiste Überwachungsgesetze verschiedenster Parteikoalitionen in die Rundablage beförderte.

Informationelle Selbstbestimmung

Xxxxxxxx ist doch heutzutage kein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung mehr, jeder gibt doch heutzutage freiwillig schon viel mehr persönliche Daten Preis als noch vor 15 Jahren

Ein gern genommenes „Argument“, um die Erhebung oder Speicherung irgendwelcher Daten gegen meinen Willen zu rechtfertigen ist, es gleichzusetzen mit dem, was Menschen im Rahmen ihrer Aktivitäten vorzugsweise im Internet selbst von sich preisgeben. Meist kommt dieses Argument dann zum Tragen, wenn eine Verletzung der informationellen Selbstbestimmung verschleiert oder relativiert werden soll. Ich hatte dieses „Missverständnis“ im Rahmen der Volkszählung 2007 schon einmal hier im Blog.

Wie gut dieser ärgerliche Spin vom „normalen Volk“ internalisiert wurde kann man leider fast täglich in diversen Kommentaren auf Facebook, unter Medienartikeln oder auch manchen Blogartikeln lesen oder in Gesprächen mit Leuten feststellen, wenn kein Unterschied gemacht wird zwischen der allumfassenden Datensammelei der Geheimdienste und den „bösen“ Datenkraken Google, facebook & Co. (vorzugsweise amerikanische Konzerne, egal, ob ein Aufruf der web.de-Startseite meine Ghostery-Browsererweiterung nicht mehr damit aufhören lässt, einen Trackingdienst nach dem anderen, der dort implementiert ist, aufzuzählen).

Dabei ist es gerade sehr wichtig, diesen Unterschied zwischen freiwilligen Angaben, die ich bei der Nutzung von Internetdiensten mache und Daten, die der Staat von mir einsammelt zu machen.

Ich weiß ziemlich genau, was ich Diensten wie Facebook, Google-Diensten, Instagramm, Twitter, ipernity und was auch immer ich sonst nutze, von mir erzähle, und ich mache da teilweise auch sehr bewusst verschiedene Angaben, so dass diese Dienste am Ende teilweise sehr unterschiedliche „Profile“ von meiner Person haben. Auch, weil ich verschiedene Dienste zu verschiedenen Zwecken nutze und diese unterschiedlichen Informationen dem jeweiligen Dienst tatsächlich helfen, ihn diesen Zwecken anzupassen.

Und es gibt Sachen, die ich keinem dieser Dienste sage, denn es gibt Dinge, die ich tatsächlich als „privat“ erachte und für mich deshalb nicht zu der Persönlichkeit, die ich in der Öffentlichkeit darstelle(n möchte), gehören.

Ich betrachte „das Internet“ als einen mehr oder weniger „öffentlichen Raum“, und so, wie ich mich wasche, saubere Klamotten anziehe und mir die Haare kämme, bevor ich aus dem Haus gehe und mich z.B. in die Straßenbahn setze, achte ich auch darauf, wie ich mich in der Öffentlichkeit „Internet“ präsentiere. Das Stichwort dabei ist aber immer: Freiwilligkeit. Überlegungen zum Thema Überwachungsstaat weiterlesen

xKeyscore und Facebook-Embed-Test – passt ja auch irgendwie… ;-)

Wenn ich das "Dementi" der richtig verstehe dementieren sie _nicht_, dass dieses Programm existiert, bzw. dass auf…

Gepostet von Sven Scholz am Donnerstag, 1. August 2013

OK, offenbar stellt manche Chrome-Installation externe Facebook-Funktionen nicht dar (ich hab das auch auf einem meiner Rechner, das betrifft dann alles und überall, vom einfachen Share-Button (speziell die, die man freischalten muss – die verschwinden dann einfach) über mit FB realisierte Kommentarfunktionen, die manche Portale nutzen (regioactive.de z.B.) und auch diese embedded posts.) – heißt, ich muss mir für diese Fälle angewöhnen, auch einen händischen Link zu solchen embedded posts mit dazu zu setzen. Gut, dass wir getestet haben.

Direktlink: http://www.facebook.com/svenscholz/posts/10200166225538820

 

Apokalyptiker an der Macht

Ich lagere hier mal einen Gedanken, den ich im Gesichtsbuch als Kommentar schrob auf die Frage nach der Motivation von Überwachung und Kontrolle der eigenen Mitbürger in sich selbst als „freiheitliche Demokratie“ bezeichnenden Ländern, die aufkam, als diese Praxis mit der totalitärer Staaten verglichen wurde. Der Gedanke ist schon sehr alt, ich hatte ihn hier schon im Jahre 2006(!!!) angedeutet, aber noch nicht so ausformuliert wie im Folgenden. Ja, ich schreibe auf jeden Fall noch einen längeren Artikel zum Thema Überwachung. Genau deshalb werfe ich diesen Gedankengang schon mal hier hin, um mich später noch mal drauf beziehen zu können.

Die Motivation [für Überwachung in einem demokratischen Staat] ist in der Tat eine andere [als in einer totalitären Diktatur], und die Motivation ist es auch am Ende, die ein Ergebnis immer mitbestimmt – wir leben (zum Glück) nicht in einem Terrorregime, in dem Überwachung ein Mittel von vielen ist, bzw. als Werkzeug eine Voraussetzung, um programmatisch und „gewollt“ Menschenrechte zu unterdrücken und Macht totalitär und absolut zu erreichen und zu erhalten.

Die Überwachung, wie wir sie heute erleben (und noch bis zum Beginn der 90ger niemals für möglich gehalten hätten, würde ich meinem jüngeren Ich erzählen, was heute abgeht, ich hätte es mir nicht geglaubt, weil ich nie geglaubt hätte, dass „wir“ das zugelassen hätten) hat andere Motivationen: sie spiegelt auf der irrationalen Seite eine Angst vor Kontrollverlust wider, oder aber auch den Glauben, dieser Kontrollverlust sei abwendbar, es ist die Angst alter Männer vor dem Tod und dem „jüngsten Gericht“, die Angst, „Schuld“ zu sein, weil man „nicht alles getan“ habe, aber auch ein Zeichen voranschreitender Technokratie, die ähnliche Motive zum Hintergrund hat, denn technokratische Systeme entheben den einzelnen Menschen seiner Verantwortung und produziert „Schreibtischtäter“ ohne eigenen Willen, die sich ja „nur an Vorschriften gehalten haben“. Ein Zeichen dafür ist die ständig wiederkehrende Argumentation, dass ja „alles gesetzlich geregelt“ sei und damit auch „rechtens“ – dass Gesetze einfach „falsch“ sein können ist da nachrangig. Friedrichs „Supergrundrecht“ spricht da auch Bände. Die Menschenrechte sind da Kollateralschaden, nicht Ziel.

Politik heute ist keine Vision mehr, keine Zukunftsgestaltung, kein Gesellschaftsbild, sondern nur noch Verwaltung und Beharren auf einen Status Quo – „Haltet die Welt an“, aber sie dreht sich eben dennoch weiter.

Die Angstspirale dreht sich ebenso weiter, ein weiteres Signal dafür: der Umgang mit den diversen „Finanzkrisen“, die die unglaublichsten Schreckensszenarien heraufbeschwört, sollte man es nicht schaffen, alles so zu lassen wie es ist, die Möglichkeit, dass eine Veränderung auch eine zum Besseren sein könnte wird nicht einmal mehr als utopische Hoffnungs-Option angenommen, es gibt sie schlicht nicht, die einzige gute oder bessere Zukunft wird in der Vergangenheit gesehen, aber da war ich schon, die war nicht besser. Nur anders.

Das alles erinnert mich an das erste Jahrtausend unserer Zeitrechnung, als das „römische Reich“ auf Teufel komm raus erhalten wurde, selbst als es schon lang nicht mehr existierte sondern irgendein irgendwas nur noch dessen Namen trug, weil man glaubte, dass der Untergang des römischen Reiches das Zeichen sei, dass die Apokalypse käme und man deshalb „trickste“, nach dem Motto: „Schau, es ist doch noch da“ – und wenn nur als Formalität.

Yoda hat recht, wenn er sagt, dass Furcht die größte Gefahr ist, die es für die menschliche Seele gibt.

 

Sich raushalten?

Ich hatte letztes Jahr im Singvøgel-Weblog was zur Frage der „politischen“ Relevanz von Popkultur/-musik geschrieben. Anlass war damals Pussy Riot, aber das war nur ein Aufhänger für etwas IMO sehr sehr grundsätzliches.

Denn es geht um nicht weniger als die Frage, wie lange sich Pop(uläre) Kunst und Kultur noch „raushalten“ will oder soll.

Habs grade zufällig nochmal gelesen und denke, vor dem Hintergrund dessen, was gerade hier so schief läuft, Stichworte „Rettung“ weniger auf Kosten des Gemeinwohles vieler, Tendenz zum Überwachungsstaat (Bestandsdatenauskunft etc.), Lobbykratie, Intransparenz und Vetternwirtschaft (Leistungsschutzrecht, BER, S21, Ablehnung von Transparenz- und Antikorruptionsgesetzen uvm.) ist der nicht weniger aktuell geworden, auch wenn Pussy Riot nicht mehr in den Schlagzeilen stehen (aber immer noch im Gulag sitzen).

Mir fiel der Artikel wieder ein, als ich auf die Singvøgel-Facebook-Page zur „Feier“ des Tages vorhin unser „Stasi 2.0“ aus dem Jahr 2007(!!) setzte und fand, ich sollte diesen Artikel auch noch mal ausgraben. Denn…

[…]Dass dieses „sich raushalten“ sich inzwischen so fest etabliert hat, dass sogar Teile der „Konsumenten“ hinter Solidaritätsbekundungen nur noch PR-Gründe vermuten – oder, noch schlimmer – hinter der Aktion der Pussy Riots selbst nur einen PR-Coup zum „bekannt werden und zur Förderung von Plattenverkäufen“ (Ja, solche Ansichten gab es zu hören und zu lesen, man möchte es kaum glauben), ist ein weiteres Alarmzeichen dafür, dass sich die industrialisierte Corporateship-Popkultur heutzutage in die gesellschaftliche Irrelevanz bugsiert hat, aus der herauszukommen sehr schwer werden wird – aber auch sehr notwendig ist. Welche Existenzberechtigung hat eine „Kultur“, wenn sie nichts mehr bewegen will, keine Diskussionen mehr eröffnet, keine Reaktionen mehr provoziert?

Es ist dringend Zeit für neue Leadbellys, Dylans, Hendrixe, Baezes, Whos, Patty Smiths, Johnny Rottens, John Lennons, Bruce Springsteens, U2s, Nirvanas und wie sie alle hießen und heißen. Es gibt sie. In den Subkulturen, den kleinen Szenen abseits, den „special interest“-Nischen. Früher, bis tief in die 80ger, waren sie es, die den Mainstream befruchteten, ja, teilweise diesen sogar eroberten, mitsamt ihren Themen. Es liegt „am Markt“, die Gatekeeper zu verjagen, die sie heute zugunsten ihrer schnell gecasteten und ebenso schnell gehypten, ausgepressten und wieder fallengelassenen austauschbaren Fastfood-Schaufensterpuppen nicht ins Scheinwerferlicht lassen. Ihr seid dieser Markt. Ihr habt die Macht. Fordert sie ein.[…]

Kundgebung Laase

 

Bei Meinung Verhaftung

tl;dr: Für Leute, die als Werkzeug nur große Hämmer haben wird schnell alles zum Nagel.

Wenn Behörden zu viel Macht gepaart mit Paranoia und Unverständnis bekommen sind solche Fälle überall möglich, einfach, weil die Fehlerquote ab einer kritischen Masse an Gelegenheiten groß genug wird, dass die Wahrscheinlichkeit für solche „Missgriffe“ entsprechend anwächst.

Und nein, eine Schere im Kopf auf „Nutzer“seite im Sinne von „Da mus man halt ein bisschen aufpassen, was man schreibt oder tut in diesem Internet“ löst so ein Problem nicht, denn solchen Fehlleistungen wohnt ein Maß an Willkür inne, das niemand ernsthaft in seiner Kommunikation berücksichtigen kann, ohne völlig auf Kommunikation zu verzichten (und genau das passiert dann auch, man nennt sowas „Chilling Effect“) .

Mich gruselt deshalb jedes mal, wenn diverse Innenminister, Polizeipräsidenten und Sicherheitspolitiker Kompetenzfrei von „Facebookfahndungen“ entgegen aller seriöser Studien und Statistiken davon träumen und sich einbilden, noch mehr Überwachung der Kommunikation aller Bürger (per Vorratsdatenspeicherung, die neben Internet ja auch Telefon, Handy, ja sogar Faxe etc. einschließt, per Aufweichung des Postgeheimnisses, und was da auch hierzulande noch alles an kruden Ideen immer wieder auf den Tisch kommen) würde man „mehr Sicherheit“ bekommen – das Gegenteil ist der Fall.

Und man muss nicht in ein „Schwellenland“ schauen (Indien ist ziemlich genauso lange eine Demokratie wie die Bundesrepublik) um das zu sehen, auch in England, in den USA und auch hier in Deutschland häufen sich Jahr für Jahr Fälle solcher Willkür und es werden nicht weniger, wenn sich nicht irgendwann die Erkenntnis durchsetzt (oder von denen, die diese schon haben, durchgesetzt werden kann), dass Rechtsstaat, Bürgerrechte und eine pluralistische Gesellschaft nur zu haben sind, wenn „Law & Order“ sich auf das unbedingt nötige beschränkt und nicht auf das irgend Mögliche. Denn am Ende sitzen immer Menschen, denen man diese Instrumentarien in die Hand gibt, und spätestens die machen „Fehler“ – deren Ursachen von „Missverständnissen“ und „einen schlechten Tag haben“ bis zum Ausleben einer paranoiden Blockwartmentalität oder der schlichten Lust an der Macht, die man hat, reichen werden. Auch dazu gibt es genügend Studien und Experimente (jeder hat schon mal von solchen „Gefängnisexperimenten“, die auch mal aus dem Ruder liefen gehört, oder? Gerade nach der Nazizeit wurde ja auch an der Frage „Wie konnten ‚ganz normale Menschen‘ sowas tun“ einiges an Erkenntnissen gewonnen (PDF))

Sonst werden auch hierzulande bald Wohnungen von SEK-Kommandos gestürmt, weil ein 15-jähriger mal einen schlecht formulierten pubertären Frusttweet abgelassen hat oder Leute geraten für eine Googlesuche nach einem Triggerwort ins Visier sogenannter „Staatsschützer“ und werden jahrelang überwacht und verwanzt – oh, warte, soweit sind wir ja auch schon….

BBC News: The arrest of two women on Monday over a comment on Facebook has sparked off widespread anger in India.

[…]One of the women had criticised the shutdown of Mumbai in her post, after the death of politician Bal Thackeray, while the other „liked“ the comment.

One of the women had criticised the shutdown of Mumbai in her post, after the death of politician Bal Thackeray, while the other „liked“ the comment.
[…]
In her Facebook comment on Sunday, 21-year-old Shaheen Dhanda wrote: „People like Thackeray are born and die daily and one should not observe a ‚bandh‘ [shutdown] for that.“

Her 20-year-old friend Renu Srinivasan ‚liked‘ the status. […]

Nachtrag: Hier noch die Story aus Indien auf deutsch. Und ein Beispiel dafür, wie klein eine Welt sein kann und wie schnell jeder über wenige Ecken sogar von so einem Fall im fernen Indien persönlich betroffen werden kann: Wegen Facebook Like – Schwester von Mobilegeeks Blogger in Indien verhaftet:

[…]In ihrem Facebook Kommentar schrieb die 21-jaehrige Shaheen Dhanda:

Menschen wie Thackeray werden taeglich geboren und sterben auch entsprechend. Deshalb muss ich noch lange nicht einen kompletten Stillstand des oeffentlichen Lebens akzeptieren

Die 20-jaehrige Renu Srinivasan, Schwester unseres Bloggers Rahul, klickte darunter auf den Like Button.

Den Ausgang dieser Aktion kennen wir nun. Beide Maedels hoerten die Acht klicken. […] Die beiden Maedels wurden inzwischen uebrigens gegen Zahlung einer Kaution aus dem Gefaengnis entlassen, nachdem sie dort fuer 2 Tage wegen der „Verletzung religioeser Gefuehle“ einsassen. […]

„Verletzung religiöser Gefühle“ – Moment, da klingelt was

 

Geistloses Grundgesetz

Das Selbstverständnis des Staates in den ich hineingeboren wurde, das man mir damals im Gemeinschaftskundeunterricht vermittelte, und das mit „dem Grundgesetz“ bzw. dessen „Geist“ begründet wurde, hat offensichtlich nichts mehr mit dem Selbstverständnis zu tun, wie es heute von Ämtern und Politikern vielerlei Coleur (inklusive Parteien, die „Sozial“ oder „Christlich“, wahrscheinlich aus reiner Tradition, weils bei Gründung halt mal wer da reingeschrieben hat, in ihrem Namen führen) postuliert wird, zu tun.

Ich kann mich aber nicht erinnern, dass seit meiner Schulzeit das Grundgesetz so radikal geändert worden wäre, dass da jetzt quasi das Gegenteil drin stünde wie noch vor 25 Jahren. Wurde das Grundgesetz also inzwischen exorziert, so dass ihm dieser „Geist“ ausgetrieben wurde? Dann wirds höchste Zeit, ihn wieder hinein zu treiben!

[…]Wer ein Opfer der Sanktionen wird, muss damit rechnen, seinen Lebensunterhalt in der sanktionierten Zeitspanne nicht aufbringen zu können. Rechnungen können nicht bezahlt, Nahrungsmittel nicht gekauft werden – im Extremfall droht Obdachlosigkeit, da auch das Wohngeld einbehalten wird. Krankenversichert sind diese Sanktionsopfer dann auch nicht mehr, im Falle eines Unfalls droht so die Überschuldung. Natürlich ist jeder für sich selbst verantwortlich und niemand ist gezwungen, den Anweisungen der Ämter keine Folge zu leisten. Dies hat allerdings zur Folge, dass wir nicht mehr in einem Sozialstaat leben, der das Existenzminimum seiner Bürger „gewährleistet“, sondern in einem Sanktionsstaat, der aufmüpfige Mitbürger der Obdachlosigkeit und dem Hunger preisgibt. Dies alles sind Fragen des Selbstverständnisses des Staates und der Gesellschaft, Fragen der Gerechtigkeit und der Solidarität […]

Lesen auf den Nachdenkseiten: „Die Würde des Menschen ist antastbar“

 

Schutzfrist für Musik soll von 50 auf 70 Jahre verlängert werden

Soso, es gibt also jetzt einen konkreten Gesetzentwurf, der das, was die Lobby seit Jahren will, endlich umsetzen soll. Naja, die Zeit wird für die Rechteinhaber ja auch wirklich langsam knapp. Rechteinhaber? Sind das nicht die Urheber, die Künstler, die Komponisten? Weit gefehlt:

Es geht hier mitnichten um den Urheber, denn es geht um AUFNAHMEN, nicht um das eigentliche urgehobene Werk „hinter“ der Aufnahme (Das ist nach wie vor über den Urheber selbst 70 Jahre bis nach seinem Tod geschützt, egal obs davon Aufnahmen gibt oder nicht): „Bisher erloschen die Rechte an Aufzeichnungen von Darbietungen ausübender Künstler wie zum Beispiel Musikern 50 Jahre nach ihrer Veröffentlichung. Bei Darbietungen, die auf einem Tonträger aufgenommen worden sind, verlängert sich dieser Schutz nun auf 70 Jahre.“ schreibt z.B. ein ehemaliges Nachrichtenmagazin irgendwo.

Man muss das wirklich mal deutlich machen, weil da z.B. beim SPON in den Kommentaren, aber auch anderswo, wo zu dem Thema diskutiert wird, schon jetzt wieder kaum jemand blickt, dass es eben nicht um „den Urheber“, „die Musiker“ und „Liederschreiber“, erst recht nicht um „gecastete Sänger“ usw. geht, denn, wie gesagt: bei ersteren beginnt die Uhr zum Verfall des Urheberschutzes der Werke erst nach ihrem Tod zu ticken, die letzteren wären Interpreten und sind damit eine ganz andere Baustelle. Aber man sieht schön, wie undurchsichtig und für viele völlig unverständlich dieser ganze Rechts-Mischmasch, der da munter Verwertungen und Werke selbst ständig durcheinander würfelt, für den „Normalverbraucher“ ist. Muss man sich nicht wundern, wenn da so viele immer wieder völlig unbedarft damit in Konflikt geraten.

Es geht also um z.B. die alten Beatles-Aufnahmen, die bald kostenlos weitergegeben werden dürften, was denen, die sie im Moment noch exklusiv verkaufen, natürlich nicht Recht ist

Wobei freilich niemand jemanden davon abhalten wird, sie dennoch zum Kauf anzubieten und auch niemand daran gehindert werden wird, sie zu kaufen anstatt irgendwo auf einer Plattform, die gemeinfreie Titel kostenlos anbietet, für lau runterzuladen. Gemeinfreiheit bedeutet, dass etwas nicht (mehr) verboten ist, nicht etwa, dass etwas nicht erlaubt sei.

Es hindert auch niemand z.B. Herrn McCartney daran, einen seiner Beatles-Songs nochmal in einer neuen Version aufzunehmen. Diese Aufnahme ist dann natürlich (bislang) wiederum 50 Jahre geschützt.

Weiterhin darf aber auch weiterhin niemand einen Beatles-Song selbst einfach aufnehmen und veröffentlichen, selbst wenn dessen erste Aufnahme nicht mehr geschützt wäre, denn in dem Fall gilt ja das Urheberrecht am Werk, und kein Beatle, der was komponiert oder getextet hat ist schon über 70 Jahre lang tot.

Da möchte eine Lobby kurz vor Torschluss für alte Beatles-, Elvis- usw. Aufnahmen noch mal 20 Jahre Exklusivrechte rausschlitzen und mehr nicht. Es kann in deren Augen ja nicht angehen, dass etwas, womit man noch richtig Geld verdienen könnte, plötzlich in den gemeinfreien Kulturpool für alle eingeht.

Bezeichnend: Bei den alten Bluesern der 30-er und 40-er und den Jazzern der 20-50ger hat da noch kein Hahn nach gekräht.

Und nein, dieses Bestreben ist freilich nicht neu, die Lobby versucht das schon seit Jahren, teils über Bande über Europäische Gesetzgebung. iRights.info hatte das Thema schon 2008 erklärt:

[…]Es geht um die Dauer der Leistungsschutzrechte für Musikaufnahmen, nicht um die Urheberrechte an Kompositionen und Liedtexten. Diese sind bereits heute bis 70 Jahre nach dem Tode der Komponisten/Texter geschützt. Bei der Debatte um die Schutzfristen geht es zum Beispiel um Aufnahmen der Beatles, Rolling Stones und anderer Musiker aus den frühen 60er Jahren. Die Leistungsschutzrechte dafür laufen in den kommenden Jahren aus und die Plattenfirmen, von denen die Leistungsschutzrechte überwiegend verwertet werden, fürchten um ihre Profite.[…]

Schwarz-Geld hat jetzt offenbar „endlich“ diesen Lobbywünschen nachgegeben. Und damit dafür sorgt, dass Kulturgüter auch nach 50 Jahren noch nicht als solche behandelt werden können sondern weitere 20 Jahre exklusive Wirtschaftsgüter bleiben. Was bedeutet, dass noch mehr als ohnehin schon in den letzten 50 Jahren von dem, was nicht Beatles, Stones oder Elvis ist, völlig in Vergessenheit geraten sein wird, denn diese Sachen werden ja eh nicht mehr verkauft, dürfen aber dennoch noch lang nicht einfach so verbreitet werden. Aber wen schert schon Kultur, es geht um Geld.

 

Clean IT

Udo Vetter hat hier einmal kurz und verständlich erklärt, was die EU-Initiative „Clean IT“ bedeutet.

Insgesamt gehen die Ideen von CleanIT weit über das hinaus, was man von ACTA kennt. Sie ergänzen sich im übrigen offensichtlich mit dem Grundkonzept eines anderen EU-Projekts namens INDECT. Dieses soll Verbrechen durch vorsorgliche Beobachtung aller Bürger verhindern. Auch INDECT setzt auf umfassende Kontrollen offline wie online.

Die haben nicht mehr und nicht weniger vor, als das Internet, wie wir es kennen und nutzen, abzuschaffen und durch ein Komplettüberwachungs- und Zensursystem zu ersetzen. Denn natürlich kann man „Clean IT“ nicht ohne dessen Einbettung in die vielen weiteren Überwachungs- und „Sicherheits“-Initiativen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten sehen.

So schlimm? Ja, denn übertragen auf die „echte“ Welt entsprächen diese Pläne z.B.:

  • Abhören und mitschneiden jeden Telefonates,
  • öffnen und kopieren des Inhalts jeden Briefes und jeden Päckchens,
  • inklusive Speicherung, wer wem was geschickt hat,
  • wer mit wem telefoniert hat,
  • Zutritt auf öffentliche Plätze (sprich: sobald jemand die eigene Wohnung verlässt) nur mit für jeden sichtbar platziertem Ausweis,
  • dabei visuelle und akustische Überwachung aller öffentlichen Räume
  • Verpflichtung von Dienstleistern im öffentlichen Raum (z.B. Busse & Bahnen) zur ständigen Personenkontrolle und Überwachung und
  • entsprechender Meldung bei „Auffälligkeit, inklusive
  • Konfiszierung „verdächtiger“ Gegenstände, die z.B. in der Hosentasche eines Fahrgastes gefunden wurde
  • In Restaurants nur Einlass mit Personalausweis, der Besuch wird registriert (wer, wann, mit wem, was gegessen)
  • Es wird gespeichert, was man im Fernsehen schaut. Und wer genau davor sitzt.
  • usw. usf.
  • Clean IT weiterlesen

    FREE PUSSY RIOT

    Heute wird das Urteil gegen Pussy Riot gesprochen, denen wegen einer künstlerischen Protestaktion mehrere Jahre Lagerhaft und der Entzug ihrer Kinder droht, im Lande Putins, des „lupenreinen Demokraten“, wie ihn sein guter Freund Exkanzler Schröder einstmals bezeichnete. Glücklich der Staat, in dem es noch Künstler gibt, die laut werden, wenn es gilt, Missstände zu benennen und in künstlerischen Aktionen anzuprangern. Schande über einen Staat, der glaubt, seine Künstler verhaften und wegsperren zu müssen. Solche Staaten kann man nur noch als totalitäre Unrechtsstaaten bezeichnen.

    Und wie immer sind es Künstler, die zuerst weggesperrt werden. Offenbar ist Kunst immer noch, auch in unserer heutigen unverbindlichen konsumorientierten Zeit, etwas, wovor Mächtige und vermeintlich Mächtige Angst haben. Das, zumindest, ist auch gut so.

    Meine Gedanken sind (nicht nur) heute bei den drei Frauen und ich stimme auch weiterhin, und je nachdem wie es ausgeht auch in Zukunft, in den inzwischen international erfreulich sehr lauten Ruf ein:

    FREE PUSSY RIOT!

    Worum es geht, den ganzen Komplex orthodoxe Kirche, Staat, Nationalismus, Diskriminierung von Frauen, Maskulinismus, Entdemokratisierung usw. usf. hat SWR2 gestern in einem sehr ausführlichen Feature ausgebreitet. Wer noch nicht so genau weiß, was da eigentlich los ist und wer sich da was wirklich und angeblich zu Schulden kommen hat lassen, kann die Sendung dort nachhören (Player ist rechts oben auf der Seite, MP3-Direktdownload hier)

    Wer mehr tun will: Amnesty International ruft zu Aktionen auf.

    Liveticker gibts viele, ich empfehle den guardian, der sowas immer sehr gut macht, auf deutsch überträgt Phoenix live und über Twitter wird es wohl auch einen Haufen Live-Infos geben.

    Update:

    Zwei Jahre Knast für ein „Vergehen“, das in Rechtsstaaten sowohl als politischer Protest anerkannt und wenn überhaupt höchstens ein kleines Verwarnungsgeld wegen „Hausfriedensbruch“ o.ä. nach sich gezogen hätte. Das ist Putins Russland heute. Kritische Künstler werden dort wieder auf Jahre ins Gefängnis geworfen.

    Und wenn man manche Kommentare unter deutschen Medienberichten liest gibt es auch hierzulande ein paar Leute (zum Glück – hoffentlich – die Ausnahme), die nicht verstehen, was so etwas heißt, für die direkt Betroffenen wie auch für eine Gesellschaft und ein Staatswesen. Und gerade euch Zynikern, die ihr „So ist halt Russland, das hätten die doch wissen müssen, so ist halt das Gesetz da“ daherlabert (Hey, guess what: die HABEN es gewusst. Und trotzdem gemacht! Warum wohl? Eben WEIL es dort „so ist“!) sage ich: es sind immer die Künstler, die sie als erste versuchen mundtot zu machen. Und wenn sie dann zu euch kommen ist niemand mehr da, der das der Welt zeigen, sagen oder singen kann!

    Wir Singvøgel werden die drei Frauen von Pussy Riot nicht hängen lassen und „vergessen“ – solange sie im Gefängnis sitzen werden wir an sie erinnern, damit dieser beispielhafte Fall nicht in kurzer Zeit schon in die Vergessenheit abdriftet. Versprochen! Speziell als Musiker fühle ich mich da sehr persönlich betroffen und berührt.

    Es gibt zu tun! Zuallererst mal: Wer kann uns dreien so schnell wie möglich je eine solche bunte Sturmhaube stricken?