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Aufmerksamkeitsökonomie in Zeiten der Empörung

Auf Facebook postete Patrick Breitenbach gestern folgenden Gedanken:

Jede Empörung hat das eigentliche Objekt der Empörung durch meine Timeline bei mir ins Bewusstsein gepostet. Ich hätte ohne eure Empörung vermutlich weder „Post von Wagner“ noch den Welt-Artikel gelesen. #aufmerksamkeitsökonomie

Anlass waren zwei konkrete unsägliche „Artikel“ in den Springerprodukten „BILD“ und „WELT“ rund um die Tragödie des Germanwings-Flugzeugabsturzes in Frankreich (die ich bewusst nicht verlinke, sie sind auch für das Folgende nicht relevant), die offenbar durch die Timelines der sozialen Medien gereicht wurden, zumeist mit einem Ausdruck der Empörung oder des Ekels, aber dennoch mit Link zu den jeweiligen Artikeln.

Im Lauf der Kommentierung schälte sich Patricks Kritikpunkt folgendermaßen heraus (so wie ich es verstanden habe):

Massenhafte Verlinkungen dieser und ähnlicher „Aufreger“ nutzen den Medien, die man eigentlich kritisieren möchte, da diese Backlinks erst die Klicks, die die Währung speziell von Online-Medien darstellen, generieren und diesen Artikeln bzw. deren Häusern erst recht Relevanz geben.

Dazu muss man freilich wissen, dass eine Webseite, die entsprechend hohe Aufrufzahlen nachweisen kann, mit diesen Zahlen den Preis ihrer Werbeflächen rechtfertigt. Es entsteht da also tatsächlich ein sehr konkreter auch monetärer Nutzen für solche Seiten.

Das war mir aus dem Ursprungsposting noch nicht erschließlich, denn da gings ja erst mal nur darum, dass er diesen Müll gar nicht gesehen hätte und somit auch nichts zum „Erfolg“ dieser Artikel bzw. Websites beigetragen hätte.

Mal außen vor gelassen, dass die Entscheidung, den Link wirklich zu klicken, ja die seine ist – ich klicke z.B. die „Briefe von Wagner“ nie an. Auch wenn ich Jens‚ großartigen @tweetsvonwagner-Twitter regelmäßig lese. Und trotzdem weiß ich meist, was dort oder in anderen so geteilten Artikeln drinsteht, da es neben den von Patrick kritisierten „Empörungslinks“ – also Links, die auf das Original nur mit einem „Unfassbar!“ oder „Das ist die Höhe!“ verlinken – genügend andere gibt, die sich tatsächlich kritisch-inhaltlich mit solchen Artikeln auseinandersetzen und dazu natürlich entweder Zitate bringen oder quasi nacherzählen, was da wohl zu lesen stünde. Ich nenne hier nur mal das BILDblog, aber das ist freilich nicht das einzige Blog oder Medium.

Letztlich aber geht es Patrick um die berechtigte Frage, ob man mit solcherlei Aufmerksamkeit, die durch die Empörung über solche und ähnliche Artikel, auch zu anderen Anlässen oder Themen, nicht erst die Aufmerksamkeit – und damit Relevanz – generiert, die diesen Medien zugesprochen wird. Und ob man solche Artikel – oder solches Gebahren – nicht besser „austrocknen“ sollte, indem man sie ignoriert und ihnen eben bewusst keine Aufmerksamkeit schenkt.

Die These wäre also: ein „Brief von Wagner“ würde in der Irrelevanz versinken, würden nicht hunderte Menschen empört auf das letzte Machwerk dieses Menschen verlinken. „Don’t feed the Troll“ quasi auf Medien übertragen.

Ich stimme dieser These teilweise zu, teilweise nicht. Ja, es gibt Fälle, auf die das zutrifft und für die Ignorieren tatsächlich die zielführendste Reaktion wäre. Und ja, in den seltensten Fällen ist es nötig, ein Original zu verlinken und diesem damit Klicks zuzuführen.

Aber ein weiterer IMO wichtiger Aspekt bei der Wahrnehmung von Dingen, die in der Öffentlichkeit stehen, heißt „Schweigen ist Zustimmung“ – ihr Publikum (oder überhaupt das Publikum von allgemein zweifelhaften Dingen wie der BILD an sich, das ist ja nicht nur der Wagner, der alleine ja völlig irrelevant ist, oder eben allgemein medialer Fehlgriffe, bewusst oder „aus Versehen“) erreichen diese Leute/Medien ja erst einmal trotzdem, und zwar mit durchaus Öffentlichkeit in entsprechender Breitenwirkung.

(Zu) viele Menschen lesen den Dreck ja auf jeden Fall. Und solange selbst eine Tagesschau sich nicht davor ekelt, eine BILD-Zeitung als Quelle für eine „Information“ anzugeben machen IMO ein paar Links zuviel es nicht fett, auch wenn auch ich mir wünschen würde, die Leute würden das nicht nur mit einem emotionalen Ausdruck verlinken sondern inhaltlich kritisieren. Und ja, noch besser, auf einen Link tatsächlich verzichten würden.

Medialen „Fehlleistungen“ allerdings nicht zu widersprechen, ebenso öffentlich wie so eine Veröffentlichung selbst es ja auch ist, würde aber etwas dort, in der Öffentlichkeit, so stehen lassen. Und zwar ohne einem Rezipienten der Zielgruppe zu sagen „Hey, du kannst den Dreck ja lesen, aber sei dir bewusst, es gibt einen Haufen Leute, die das für Dreck halten, und sie haben gute Gründe dafür! Denk mal drüber nach, ob du diesem Artikel wirklich zustimmst. Und dann denk mal darüber nach, ob du dir in Zukunft weiterhin diesen Dreck reinpfeifen willst und denen dafür auch noch Geld gibst!“.

Oder demjenigen, der es veröffentlicht hat, zu zeigen „Ich sehe, was du getan hast! Und ich weiß, dass du weißt, was du getan hast, egal, mit welcher zynischen Rechtfertigung du dein Gewissen beruhigen willst! Ich sehe es und viele andere sehen es auch! Du bist nackt, Kaiser!“

Dass sich das manchmal leider beißt, technisch bedingt, mit dem „Erfolgsmaßstab“ Klickanzahl, das ist ein Teil, in dem ich Patrick wie gesagt absolut Recht gebe. Das ist ein ein Problem, und um diesen Effekt so weit wie möglich so zu minimieren, dass er zumindest hinter dem Effekt des eigentlichen Widerspruchs zurücksteht, erfordert es in der Tat ein wenig Überlegung und Impulskontrolle.

Ich verlinke deshalb bei sowas nie direkt auf z.B. solche Artikel sondern eben auf welche, die sich damit beschägtigen, also BILDblog oder andere Blogs, einen Kommentar, ein Posting o.ä. (oder im speziellen Fall den „tweetsvonwagner“-Twitter-Account, der den Irrsinn so komprimiert, dass man schon völlig merkbefreit sein muss, um ihn nicht zu erkennen), so dass möglichst ein Sachkontext gegeben ist und idealerweise es nicht notwendig ist, einen „Klickgewinn“ für den Gegensatnd der Kritk zu generieren.

Die Kritik an etwas, das in die Öffentlichkeit gesendet wird und dort Wirkung entfaltet unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu äußern (Indem man den Autor direkt anschreibt, oder eine Redaktion) jedenfalls ist IMO nicht zielführend, wenn es eben um die Frage auch nach Standards für Dinge geht, die für die und in der Öffentlichkeit wirkmächtig sein wollen und genau dafür intendiert sind. Auf jeden Fall nicht bei Medien, die notorisch darin sind, jegliche ethischen Mindeststandards zu missachten. Denen geht das am Arsch vorbei, weil mans ja nicht sieht und damit keine Gefahr besteht, dass andere auf die Kritikwürdigkeit des eigenen Tuns ebenfalls aufmerksam werden.

In Fällen, bei denen man einen „Ausreißer“ vermuten darf mag das anders sein. Auch hier kommt es immer ein wenig auf den Fall und den Kontext an.

Am Ende ist es aber immer ein Abwägen. Man wird keine ideale Lösung (Im Sinne von „Aufmerksamkeit aufs Problem ohne Wirkung auf den aufmerksamkeitsökonomischen Effekt“) bekommen.

Bei manchen, ja, wäre Ignorieren tatsächlich eine effektive Methode. Das sind leider relativ wenige, aber bei denen wünschte auch ich mir, dass man diese über den Weg des „alleine stehen lassens“ irrelevant lässt. Das sind Fälle, die für sich genommen – also in der Sache – tatsächlich auch erst mal irrelevant wären und ihre vermeintliche Relevanz erst durch die empörte Aufmerksamkeit bekommen. Und ja, leider passiert es in diesen Fällen auch zu oft, dass Aufmerksamkeit erst geschaffen wird, weil man sie empört verlinkt.

Wenn die Aufmerksamkeit durch die Sache selbst aber schon von vornherein gegeben ist, kann man etwas nicht im umgekehrten Falle in die Irrelevanz „zurück“ schubsen. Denn es ist kein „zurück in die Irrelevanz“, wenn sie dort nie war, weil etwas seine Relevanz durch seinen Inhalt oder Kontext bereits hat. Heißt, da „bekommt“ etwas nicht erst Aufmerksamkeit. Sondern da begibt sich etwas in einen Aufmerksamkeitsbereich und hat an dieser Teil, völlig unabhängig davon, ob jemand das ignoriert oder nicht.

Hier sind dann kreativere Möglichkeiten der Auseinandersetzung gefragt. Die u.a. einerseits dem Umstand Rechnung tragen, dass ein relevanter Kontext bedeutet, dass Ignorieren oder außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung agieren einen öffentlichen Diskurs (z.B. um ethische Maßstäbe) wegen des „Schweigen ist Zustimmung“-Effektes nicht unterstützt, wenn nicht sogar ihm schadet.

Aber eben auch ökonomische Effekte berücksichtigen. Direkt, indem man eben nicht verlinkt. Indirekt, weil eine öffentliche Empörung über die Methoden der BILD & Co. bei der BILD zwar nichts ändern mag. Aber vielleicht bei manchen ihrer Leser. Oder bei anderen Medien, die sich bislang nicht entblödeten, sich auf diese zu beziehen und ihr damit ständig und dauerhaft weit mehr Relevanz zuschanzen als es hundert empörte Links tun könnten.

Man darf IMO den anderen Medien, die zumindest versuchen, Standards einzuhalten und wenigstens noch ein bisschen Anspruch haben, seriös sein zu wollen, nicht den Eindruck vermitteln, dass ein Einhalten ethischer Maßstäbe nicht mehr „zeitgemäß“ sei, wie manche Medienvertreter tatsächlich argumentieren. Deshalb ist es IMO wichtig, diejenigen, die das noch tun, zu unterstützen und denen, die es nicht tun, zumindest deutlich zu sagen: „Wir sehen, was ihr hier tut!“ – Und damit denen, die in ihren ethischen Einschätzungen straucheln ein klares Bild davon anbieten, wo die Grenzen sind und ihnen deutlich machen, dass ein Überschreiten solcher Grenzen nicht schweigend hingenommen wird.

Dass sich N24 versuchte, per Twitter für ihre „Berichterstattung“ über Name, Adresse und Zeigen des Hauses der Familie des Germanwings-Copiloten zu entschuldigen und gelobte, es in Zukunft anders zu machen, zeigt ja: so ein Feedback kommt durchaus an. IMO auch da, wo man sich wegduckt und nicht reagiert. Und egal, ob in dem speziellen Fall das nur geheuchelt sein mag oder wirklich ernst gemeint ist.

Denn am anderen Ende sitzen auch immer Menschen. Einige von denen mögen sich versuchen hinter einer Wand von Zynismus oder falsch verstandener „professionenellen Distanz“ zu verstecken, um sich noch morgens im Spiegel ansehen zu können ohne vor Scham im Boden zu versinken.

Aber wenn die Tagesschau auf Facebook ihre Zuschauer fragt, ob die von ihr bislang praktizierte Nichtnennung von Namen vielleicht „nicht mehr zeitgemäß“ sei, da andere solches bewusst täten, weil diese Informationen ja sowieso von wiederum anderen schon längst veröffentlicht wurden und „im Netz zu finden“ seien, dann ist das ja auch ein Zeichen dafür, dass da Unsicherheiten bezüglich der Standards bestehen. Dass „andere das auch tun“ ist aber natürlich eine der billigsten Rechtfertigungen, die es gibt, bekannt von Spielplatz und Kindergarten.

Wenn andere ethisch fragwürdig handeln ist es deshalb IMO erst Recht wichtig, den Wunsch nach ethischem Handeln und humanistischen Anstand entgegen zu setzen. Denn was würde das bedeuten, wenn der Verzicht auf ethische Maßstäbe, mit der Rechtfertigung, „andere machen es auch“, „zeitgemäß“ würde?

Nein, es ist wichtig, zu zeigen, dass es auch anständig geht. Und es ist wichtig, das einzufordern, auch öffentlich. Die zu loben, die es tun. Die zu tadeln, die es nicht tun.

Das mag nicht verhindern, dass manche dennoch auf Anstand pfeifen. Aber wie gesagt: da stehen auch Menschen dahinter, und hinter ihrem Zynismus und ihrer „professionellen“ Empathielosigkeit nagt auch bei ihnen ein Gewissen. Ein Beispiel ist die besagte (freilich zu späte) „Entschuldigung“ von N24, die gemerkt haben (oder es zumindest vorgeben, aber auch das bedeutet zumindest, dass sie es wissen, dass es diese Grenze gibt), dass sie eine Grenze überschritten haben. Solche Grenzen bleiben erkennbar dadurch, dass sich andere noch dran halten. Und dass Rezipienten – Leser, Kunden, eben „die Öffentlichkeit“ die Einhaltung dieser Grenzen fordern und ein Überschreiten dieser Grenzen anprangern. Egal, wie „unzeitgemäß“ es mancher Zyniker halten mag.

Und ja, manchmal passiert das auch mit purer Empörung und einer Verlinkung, ohne drüber nachzudenken, die dem Objekt der Kritik vielleicht kurzfristig sogar mal mehr nutzen als schaden mag. Und ohne geschliffen formulierte Worte dazu, die die so ausgedrückte Emotion der puren Empörung durchdacht mit sachlicher Kritik begründet. Ja, ich würde mir wünschen, jede_r täte letzteres. Ja, ich würde mir wünschen, Aufmerksamkeiten wären allgemein etwas nachhaltiger und reflektierter. Und auch ein bisschen konsequenter. Aber nicht jede_r hat die Zeit, die Muße, die schriftliche Eloquenz oder die Impulskontrolle, auf solche Ärgernisse jedesmal „richtig“ zu reagieren.

Aber wisst ihr was? Noch schlimmer glaube ich fände ich es, wenn ich solche Fehlleistungen mancher Medien mitbekomme und von meinen diversen Timelines dazu keine Reaktion käme. Es mag sein, dass die ein oder andere Reaktion, die mir da über den Weg läuft, dabei auch mal streng genommen (zu) unbedacht, impulsiv und emotional ist. Aber es ist ja niemand gezwungen, die Links tatsächlich anzuklicken. Ich, wie gesagt, tu es so gut wie nie, denn es ist meist nicht notwendig. Aber auch diese Reaktionen zeigen mir: der Bullshit wird erkannt als Bullshit. Das ist am Ende auch gut für mein grundsätzlich positives Menschenbild. Ich finde es gut, dass Menschen in meinem Umfeld sich noch über solche Dinge aufregen. Und es ihnen nicht zynisch oder resigniert am Allerwertesten vorbei geht.

Und dieses Menschenbild, das mich davor bewahrt, selbst zum Zyniker zu werden, ist mir tausendmal wichtiger als der Gedanke daran, dass da ein BILD-Artikel vielleicht ein paar tausend Klicks mehr erhält als ihm zustehen. Denn es sagt mir: die Zyniker und Arschlöcher in der Welt mögen zwar existieren und sie mögen auch zu viel Aufmerksamkeit bekommen.

Aber sie sind eine Minderheit. Und sie werden als das, was sie sind, erkannt. Arme kleine Würstchen, die ihre grundsätzliche Bedeutungslosigkeit auch nicht damit verhindern, dass sie kurze Aufmerksamkeit erlangen, weil man ihren Zynismus und ihre ethische Armseligkeit für ein paar Tage in das Licht der Öffentlichkeit zerrt.

 


Das Internet rettet die Welt. Verdummt alle. Nicht. Doch. Nein. Doch. Ach.

Ich bin ja inzwischen doch schon ein bisschen älter und stieß deshalb bereits in der ersten Hälfte der Neunziger Jahre auf dieses „Internet“. Gegenüber damaligen „early adoptern“ relativ spät, ich bin zwar jemand, der irgendwie jeden Scheiß mitmachen muss, aber meist bekomme ich den Scheiß erst mit, wenn die, die jeden Scheiß mitmachen müssen, ihn schon eine gute Weile mitmachen. So auch beim Internet. Natürlich, als „Computerfreak“ seit den Achtigern und schon immer technikinteressierter Mensch seit frühester Kindheit, habe ich lange Zeit vor meinem eigenen Einstieg ins Internet schon von „Datenfernübertragung“ gelesen, von Akustikkopplern und von vernetzten Computern, Hacker waren schon in den frühen Achtzigern Themen meiner Lieblingsfilme und -bücher. Und ich hatte Freunde, die nerdig genug waren, da schon weit früher als ich aktiv mitzumischen.

Vom Zuschauer zum Akteur aber wurde ich erst Anfang/Mitte der Neunziger. Als das „WWW“ bedienungsfreundlich genug geworden war, so dass auch ich einen Zugang in diese Welt finden konnte. Diese Dings-Boxen, die über irgendwelche lokalen Einwahlknoten erreichbar waren, die man aber irgendwie abonnieren musste, abholen, hinschicken, mit Terminal-Eingabezeilen und all sowas – da konnte ich nichts mit anfangen. Jens hat sich da letztens ja mit Oliver drüber unterhalten, das empfand ich als unendlich kompliziert. Ich habs ja schon mal gesagt: ein klassischer „Nerd“ bin ich nie gewesen.

An der Technik, wie ich sie da kennenlernte, hat sich bis heute nicht viel geändert. Die gewachsene Bandbreite, der billige Speicher und die leistungsfähigen Geräte ermöglichen mehr Geschwindigkeit für aufwändigeren Inhalt, aber wenn mans rein funktional betrachtet gibt es da viel weniger Unterschiede als man vielleicht denkt: ich habe Mitte der Neunziger auf der Babylon5-Seite die Trailer und Reviews zu den aktuellen Folgen angesehen, als im deutschen TV noch mit einem Jahr Verzögerung die Folgen der vorangegangenen Staffel ausgestrahlt wurden, wie ich heute in Dr. Who oder andere Serien reinschaue, bevor sie überhaupt auf einem heimischen Sender zu sehen sind, wenn sie es da denn überhaupt sind. Der Unterschied, Bandbreite und Datenmenge, ermöglicht das als Stream in hoher Auflösung und komplette Filme anstatt in kurzen Videos von einer Minute in 360 Pixeln breit, für die man dennoch eine halbe Stunde brauchte, sie runter zu laden. Ähnliches gilt für fast jede „Netztechnik“ – erinnert sich noch wer an „Quicktime VR„? Die Technik ist jetzt ziemlich genau 20 Jahre alt. Androids „Photo Sphere“ ist nichts anderes. Geändert haben sich Bandbreite, Speicher und Rechenpower. Aber nicht die grundsätzliche technische Funktionalität.

Wenn Feuilletonisten, Marktschreier, Politiker, Aktivisten, Maschinenstürmer und was weiß ich noch alles heute über „das Internet“ schreiben, reden oder reflektieren wundere ich mich deshalb oft sehr. Immer wieder geht es um ein „neues Medium“ (Merkels „Neuland“-Zitat letztes Jahr war da ein Höhepunkt einer langen Liste) und dessen wahlweise „Potentiale“ oder „Gefahren“, alles so neu und deshalb unabsehbar wie dennoch mit der Sicherheit des Unfehlbaren entweder in den totalen Untergang oder in das Paradies führend.
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Clean IT

Udo Vetter hat hier einmal kurz und verständlich erklärt, was die EU-Initiative „Clean IT“ bedeutet.

Insgesamt gehen die Ideen von CleanIT weit über das hinaus, was man von ACTA kennt. Sie ergänzen sich im übrigen offensichtlich mit dem Grundkonzept eines anderen EU-Projekts namens INDECT. Dieses soll Verbrechen durch vorsorgliche Beobachtung aller Bürger verhindern. Auch INDECT setzt auf umfassende Kontrollen offline wie online.

Die haben nicht mehr und nicht weniger vor, als das Internet, wie wir es kennen und nutzen, abzuschaffen und durch ein Komplettüberwachungs- und Zensursystem zu ersetzen. Denn natürlich kann man „Clean IT“ nicht ohne dessen Einbettung in die vielen weiteren Überwachungs- und „Sicherheits“-Initiativen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten sehen.

So schlimm? Ja, denn übertragen auf die „echte“ Welt entsprächen diese Pläne z.B.:

  • Abhören und mitschneiden jeden Telefonates,
  • öffnen und kopieren des Inhalts jeden Briefes und jeden Päckchens,
  • inklusive Speicherung, wer wem was geschickt hat,
  • wer mit wem telefoniert hat,
  • Zutritt auf öffentliche Plätze (sprich: sobald jemand die eigene Wohnung verlässt) nur mit für jeden sichtbar platziertem Ausweis,
  • dabei visuelle und akustische Überwachung aller öffentlichen Räume
  • Verpflichtung von Dienstleistern im öffentlichen Raum (z.B. Busse & Bahnen) zur ständigen Personenkontrolle und Überwachung und
  • entsprechender Meldung bei „Auffälligkeit, inklusive
  • Konfiszierung „verdächtiger“ Gegenstände, die z.B. in der Hosentasche eines Fahrgastes gefunden wurde
  • In Restaurants nur Einlass mit Personalausweis, der Besuch wird registriert (wer, wann, mit wem, was gegessen)
  • Es wird gespeichert, was man im Fernsehen schaut. Und wer genau davor sitzt.
  • usw. usf.
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