So ein bisschen was geht da schon…

Das weiße Haus bloggt. Und das hier ist doch eine coole Sache, und allen Unkenrufern zum Trotz glaube ich dem Mann sogar, dass die Kommentare tatsächlich gelesen werden.

[…]we will publish all non-emergency legislation to the website for five days, and allow the public to review and comment before the President signs it. […]

Nein, wenn einer der derzeitig hierzulande rumlaufenden Politikernasen sowas behaupten würde, ich würde ihm selbstverständlich nicht eine Nanosekunde glauben. Keine Ahnung, warum ich das bei dem dort tue. Vielleicht, weil ich ihm zumindest abnehme, dass er das, wofür er da stehen will tatsächlich will.

Ob er’s auch schafft ist da fast zweitrangig (schön wäre es dennoch), denn dass es überhaupt noch mal einen Politiker gibt, dem ich wirklich glaube, dass er nicht nur an seinem persönlichen Vorteil und dem seiner „Kumpels“ interessiert ist – und dass so jemand auch noch in eine solche Position kommt – hätte ich noch vor einigen Monaten niemandem geglaubt, hätt‘ er’s mir erzählt.

Dank Internet kann ich mir hier auch gescheite Livestreams reinziehen, derzeit rollt die Limo immer noch zum White House und im Moment ist Obamas zweiter Ausflug aus dem warmen Auto auf die Straße ins Gejohle und Gejuble, und ich gönne es den Amis, denen es voraussichtlich noch eine ganze Weile noch ein ganzes Stück dreckiger gehen wird mit dieser Krise, die uns (und denen) diese Typen, die den Hals nicht voll kriegen und sich in ihren zynischen Hirnen für so superschlau halten eingebrockt haben, denen nicht genug Kohle auf ihren Konten sein kann. Und bei denen ich mir auch vorstellen kann, dass sie diesem Jubel und der Freude, die da über die Zappelbilder und Brüllwürfel meines PCs übern Teich schwappt, mit Verachtung gegenüber stehen, weil sie nicht nachvollziehen können, was es heißt, Zuversicht, Hoffnung oder gar Optimismus aufzubringen im Angesicht von Existenproblemen, die einen gerade in Amiland schnell in Tiefen rutschen lassen kann, die einen wirklich ängstigen können, ja müssen.

Ich jedenfalls will glauben, dass der Mann wirklich was ändern will. Ja, freilich zuerst mal für die Amerikaner – für wen denn sonst.

Aber weil es nunmal Amerika ist auch für alle anderen, denn in Amerika kann nichts großes passieren, das nicht auch Auswirkung auf den Rest der Welt haben wird. Und wenn das tatsächlich passieren sollte, allen desillusionierten „sei mal realistisch“-Rufern zum Trotz, und wenn es nur ein klitzeklitzekleines bisschen ist, dann ist das mehr, als ich von unserer eigenen „Regierung“ oder irgendeinem „unserer“ Politiker erwarte oder in den letzten 15 Jahren gesehen habe. Denn selbst ein kleines bisschen nämlich ist mehr als … nichts.

Während die USA jetzt einen Präsidenten haben, der das Internet als das normale Kommunikationsmedium nutzt, mit FlickR-account, Blogs, Facebook & Twitter etc. pp., das es schon lange ist, haben unsere tollen Nullblicker nix besseres zu tun, als das, was sie immer noch nicht kennen und immer noch nicht können vor lauter Angst davor zu verbieten bzw. zensieren. Nur um nur mal einen kleinen Unterschied zu nennen.

Aber einen, der in vieler Hinsicht überdeutlich den Unterschied zeigt.

Dass Europa, speziell Deutschland, in den letzten Jahren so toll fortschrittlich und weltoffen aussah lag nicht etwa an uns, sondern daran, dass die Amis eine Regierung hatten, die noch viel mittelalterlicher war als wir. Jetzt, wo sie sich einen wirklich coolen und vor allem auch noch offensichtlich richtig umfassend und tief humanistisch gebildeten Präsidenten gewählt haben schauen wir hier wieder so richtig, richtig alt aus mit unseren strunzdummen und geistig völlig niveaulosen Politikerprolls. Irgendwie bin ich grad richtig neidisch.

Und genau deshalb bin ich sehr gespannt, was ein Politiker hinbekommt, der wirklich noch echte Ideale hat (egal wieviel er davon umsetzen kann – die, die keine haben, setzen mit größerer Sicherheit weniger, weil nichts, um) und der eine Generation jünger ist als alles, was irgendwo sonst rumhängt und deshalb das kennt und nutzt, wovor die alten Männer sich noch in die Hosen machen.

Und genau deshalb möchte ich nun bitte einfach etwas optimistisch sein dürfen und mich einfach etwas mit freuen dürfen. Und darum bitten, dass iirgendwelcher Skeptizismus in den Kommentaren erstmal unterbleibt. Nur weil ich gerührt bin und durchaus angetan von dem, was ich gerade sehe und höre braucht niemand Angst haben, dass ich plötzlich nicht mehr differenzieren könnte – gerade weil ich das noch kann muss mir hier keiner in diesem schönen und interessanten Moment mit sowas ödem und langweiligen wie „Skepsis“ oder gar Zynismus blöd kommen, und gerade weil ich das noch kann, bilde ich mir ein, kann ich mich da jetzt einfach etwas freuen und etwas Optimismus gewinnen. Danke.

… Haha, bei CNN laufen Facebook-Shouts mit. Einer sagte da „this would never be possible if we didn’t have a LAME DUCK PRESIDENT for 8 years.“ – wenn das mal nicht vorbildliches „das Gute im Schlechten sehen können“ ist 😀

… Die „Lesbian & Gay Band Association“ zieht grad mit einer riesigen Marchingband vorbei und freuen sich offensichtlich wie Bolle. Kein Wunder, ich kann mir nicht vorstellen, dass die beim Bush zugelassen worden wären.

5 Gedanken zu „So ein bisschen was geht da schon…

  1. Obama hat übrigens eine zeitgenössische Autorin, Elizabeth Alexander, um ein Gedicht für die Inaugurations-Zeremonie gebeten. Sie selber wertet das als hoffungsvolles Zeichen für den Stellenwert von Kunst und Kultur im amerikanischen gesellschaftlichen Leben. Ihr Wort in aller Götter Ohr!

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  3. @ Karan: das Schöne an „Praise Song for the Day“ ist ja, dass es „schnörkellos“ ist, dass Elizabeth Alexander sich nicht so einen pseudo-bedeutungsschweren Kitsch (meine Ansicht nach) hat hinreißen lassen, wie ihn damals Maya Angelou mit On the pulse of Morning zur Amtseinführung Clintons verfasst hatte. Ob es ein „gutes“ oder gar „großes“ Gedicht ist, wage ich nicht zu beurteilen. Mir gefällt „Praise Song for the Day“ einfach.

  4. Danke für Deinen Optimismus, Sven, das tut gut… und ich mag das Gedicht auch sehr!
    Ich hatte es schon bei Karan gelesen und abgeschrieben, ohne erstmal zu wissen, in welchem Zusammenhang es steht 🙂

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