Sklavenhändler

Mir gehen die Worte aus, ich kann garnicht ausdrücken, wie wütend ich gerade (mal wieder) bin….

[…] „Es werden auch im Bereich geringqualifizierter Arbeit sehr viel mehr Arbeitsplätze entstehen als viele Skeptiker glauben. Früher wurden an der Tankstelle die Scheiben gewischt oder es wurden morgens Brötchen ausgetragen“. Vereinzelt gebe es auch hierzulande schon Schuhputzer oder wie in den USA Tütenpacker im Supermarkt. […]

(via Telepolis: Neue Diskussion um Arbeitspflicht für Hartz-IV-Bezieher)

Genau, Arme sollen gefälligst Armenarbeit machen, wie die Verzweifelten in Amerika. Und wenn sie nicht verzweifelt genug sind, das freiwillig zu tun, dann eben mit Zwang. Hat damals ja auch schonmal funktioniert, damit die Wirtschaft anzukurbeln und die Reichen noch reicher zu machen.

Diesem Unterdrückungs- und Demütigungssystem spreche ich inzwischen jegliche soziale Intention im Sinne „soziale Sicherheit und Achtung aufs Gemeinwohl“ ab und bin inzwischen stattdessen überzeugt, dass mit HartzIV der Sozialstaat abgeschafft wurde und ein klassistischer Apardheitsstaat eingeläutet wurde. Die Reportagen, die du zu sehen bekommst und dich aushaken lassen gehören da genau hinein in die Propaganda, die das Bild der „typischen HartzIV-Schicht“ malt und festigt.

Wir hauen Millionen und Abermillionen für unterirdische Bahnhöfe und ähnlichen Kram raus, für Kriege und für Banken, die sich verspekulierten und schenken weitere Milliarden deren Kunden, die ihnen das Geld zum spielen überließen, weil sie hofften, noch reicher zu werden – aber die Schlagzeilen machen alle halbes Jahr ein Einzelfall HartzIV, mal ists wer, der doch tatsächlich „uns Steuerzahlern“ 10 Euro zuviel „aus der Tasche zieht“, so dass er statt 50 mal 60 Euro zum ausgeben hat, oder mal eine Familie die (wenn sie überhaupt echt ist) sie nicht gebildet genug ist (was auch zum System gehört) und sich von einem Kamerateam vorführen und ausschlachten lässt und an den Pranger stellen lässt, dem vor Abstiegsangst getriebenen Mittelständler ein gruslig-exotisches Bild mit der unterschwelligen Botschaft „Das wird aus dir, wenn du nicht spurst!“ in sein Wohnzimmer bringt.

Kocht denn das Wasser schon längst und wir blöden Frösche habens einfach nicht bemerkt und sind schon tot oder können wir noch raus aus dem Topf?

Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!
Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!

Ich verkauf dir meine Hände, ich verkauf dir meinen Kopf.
Ich versprech dir, nicht viel zu denken, und ich schau dir nicht in deinen Topf.
Für mich bist du der Engel, der uns Armen Arbeit gibt.
Ohne dich wär ich verhungert, ich bin froh, daß es dich gibt.

Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!
Sklavenhändler, geh zum Telefon.
Hörst du nicht, es klingelt schon.

Und wenn ich sieben fuffzich verdiene, geb ich dir drei fuffzich ab.
Ich brauch nur was zu essen und vielleicht ein bißchen Schnaps.
Ich brauch überhaupt nicht viel Geld, denn ich bin ein schlechter Mensch.
Ich hab mein ganzes Leben nichts gelernt, außer daß man besser die Fresse hält.

Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!
Sklavenhändler, hast du Arbeit für mich?
Sklavenhändler, ich tu alles für dich!


7 Gedanken zu „Sklavenhändler

  1. Nein, das“Brot und Spiele“-Modell ist offensichtlich überholt – denn Brot und Spiele kosten Geld! Viel effizienter und kostengünstiger ist es, da an die Abstiegsängste des von Abstiegsangst getriebenen Mittelschichtlers zu appelieren – Manipulation geht am einfachsten mit dem Strom bzw. als Apell an Vorurteile und Ängste. Daher klappt es auch so gut, Geringverdiener und „Harzis“ gegeneinander ausszuspielen.
    Es ist auch höchst effizient,, gehörig zu drohen, was alles passieren kann, wenn jemand nicht pariert. („Denken Sie daran: nur ein Jahr Arbeitslosigkeit trennen Sie von Harz IV und Sie haben nur einen befristeten Vertrag.- Also: Wie war das noch mal mit Überstundenabbau und Gehaltserhöhung?“) Im „Idealfall“ ist wie beim ALG II-Empfänger jede Sanktion ist potenziell existenzbedrohend, daher hat ein „Harzi“ auch gar nicht die Möglichkeit, „Nein“ zu sagen. Wer um das Dach übern Kopf und das tägliche Essen besorgt ist, der kommt nicht „auf dumme Gedanken“ und muckt auf. Spiele? Wozu, wenn die Drohung mit Brotentzug so gut funktioniert!

    Eine Etage höher in der sozialen Hierarchie, da, wo die Leute auch noch Geld dafür bezahlen können, dass man sie anlügt, haben „Spiele“ natürlich ihren Sinn. Damit die Leute nicht auf „dumme Gedanken“ kommen, füllt man ihre Gedanken eben mit Dummheiten.

  2. Neben der offensichtlichen Ausbeutung, die durch korrupte Regierungen forciert wird, kotzt es mich besonders an, dass man so vielen Menschen, die die Industrie nicht mehr als Humankapital verwerten kann, erfolgreich eingeredet hat, dass sie zu nichts taugen. JEDER Mensch ist wertvoll, denn in jedem einzelnen steckt unglaublich viel Potential. Doch das meiste davon verödet ungenutzt, weil unser kapitalistisches System zu phantasielos und unflexibel ist, um es zu fördern und die Gesellschaft davon profitieren zu lassen.

  3. widerspruch, Martin –

    abstiegsängste gab es schon immer, das ist nichts neues.

    neu ist eher, denke ich, die auswahl an spielen – in unserer multimedialgesellschaft, in der unterhaltung praktisch kostenlos ist, sorgt der sozial gut abgehangene bürger selbst für seine unterhaltung, er muss ja nicht mal mehr seinen arsch in ein sportstadion oder die eckkneipe bewegen.
    da darf man ja auch nicht mal mehr rauchen.
    das hält „die“ dann auch von der strasse fern, wo sie unschön auffallen können, oder am ende sogar mitleid erregen würden.

    ferner ist „brot“ ja auch unglaublich günstig (weil, subventioniert via niedrigerem steuersatz).

    man halt als Harz-IV-ér also die schöne wahl, ob man sich rundfressen, glotze gucken, surfen oder sonstwas machen kann.

    P.S.:

    nein, ich behaupte nicht, das es da eine breitangelegte verschwörung oder sowas gibt, ich denke, das ist eine entwicklung. man versucht, die armen soweit über wasser zu halten, das man keine allzuschlimme gegenwehr zu fürchten hat (von seiten der politik) während die unterhaltungsmedien ihre werbung und ähnliches (möglichst kostengünstig, daher oft ziemlich blöde) verkaufen mag.

    und ja, die industrie sorgt für das zusätzliche moment von Angst und Erfolgsversprechen, aber das hat sie schon immer.

  4. Ich denke, ihr habt beide Punkte, die sich garnicht groß widersprechen/gegenseitig ausschließen, nur ein unterschiedliches Verständnis dessen, was ihr jeweils mit „Spiele“ bezeichnet 😉

Schreibe einen Kommentar zu Sven Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert